Junge Frau lehnt am Fenster mit der Hand vor dem Gesicht - mit einer neuen Strategie will die Bundesregierung die Zahl der Suizide senken.

Neue Präventionsstrategie der Bundesregierung

Bessere Hilfe für Suizidgefährdete - Zuspruch von Angehörigen aus Koblenz

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Alexandra Leininger

500 Menschen in Rheinland-Pfalz begehen jährlich Suizid. Eine neue Präventionsstrategie soll die Zahl bundesweit senken. Angehörige aus Koblenz begrüßen die Pläne.

Es ist schon mehr als zehn Jahre her, dass Christa Albrecht aus Koblenz die Gruppe AGUS ins Leben gerufen hat. AGUS steht für Angehörige um Suizid und ist eine Gruppe für Menschen, die eine nahestehende Person durch Suizid verloren haben.

Christa Albrecht selbst war noch ein Kind, als sich ihr Onkel das Leben nahm. Heute sei es für sie wertvoll, sich in der Gruppe mit anderen auszutauschen, sagt sie: "Innerhalb der Gruppe muss man sich nicht erklären. Jeder weiß, wovon der andere spricht und wie es einem geht. Das ist unglaublich wertvoll für uns alle."

Neue Strategie soll Suizidgefährdeten und Angehörigen helfen

In Rheinland-Pfalz nehmen sich laut Zahlen des Statischen Landesamts jährlich fast 500 Menschen das Leben. Bundesweit sind es etwa 10.000. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat deshalb eine neue Suizidpräventionsstrategie vorgestellt. Sie soll helfen, die Zahlen zu senken. Unter anderem soll es künftig eine zentrale Notrufnummer und eine Website zum Thema Suizid mit Hilfs- und Beratungsangeboten geben.

Zuspruch von Angehörigen aus Koblenz für neue Präventionsstrategie

Dass das Thema Suizid durch die neuen Pläne jetzt mehr Beachtung findet, finden die Angehörigen in der Koblenzer Gruppe AGUS wichtig. Doch Christa Albrecht ist auch überzeugt: Eine solche Strategie darf nicht nur auf den Suizid selbst schauen - sondern muss frühzeitig und ganzheitlich ansetzen. "Man muss sehr früh ansetzen und schon die ersten Zeichen deuten", erklärt sie, "und da ist ein Riesenmangel an Fachpersonal, an Anlaufstellen, an Therapieplätzen."

Therapieplätze für Suizidgefährdete sind schwer zu bekommen

Das bestätigt auch Wolfram Schulze. Er ist Professor für Sozialwissenschaft an der Hochschule Koblenz. Suizidprävention ist einer seiner Forschungsschwerpunkte. Wenn Menschen sich entscheiden würden, professionelle Hilfe etwa in Form einer Therapie in Anspruch zu nehmen, müssten sie häufig lange warten bis sie einen Platz bekämen.

"Das kann Türen öffnen, für diejenigen die selbst in Not sind.

Diesem Thema - dem Mangel an Therapieplätzen - widmet sich die neue Suizidpräventionsstrategie von Gesundheitsminister Lauterbach allerdings nicht. Und auch die Finanzierung der Umsetzung der Strategie ist noch nicht geklärt. Es bleibe also abzuwarten, wie gut die Strategie dann auch umgesetzt werden könne, sagt der Koblenzer Sozialwissenschaftler Schulze.

Professor Wolfram Schulze in blauem Hemd, Strickjacke und Brille schaut in die Kamera. Er forscht an der Hochschule Koblenz zu Suizidprävention.
Professor Wolfram Schulze forscht an der Hochschule Koblenz zum Thema Suizidprävention.

Tabu brechen und Angehörige unterstützen

Dennoch: Dass sich die Bundespolitik des Themas Suizidprävention annimmt, findet auch er wichtig - insbesondere auch um ein Tabu zu brechen. Positiv sei, dass die Suizidprävention nun offizieller diskutiert werde und damit ins Gespräch komme. "Das kann Türen öffnen für diejenigen, die selbst in der Not sind, aber auch für andere, die helfen wollen, aber nicht wissen, wo sie ansetzen können", erläutert er.

Das sehen auch die Menschen von der Gruppe AGUS so. Sie wünschen sich, dass Suizid kein Tabuthema mehr ist. Die Themen Suizid und Tod müssten in der Gesellschaft sichtbarer werden. Denn das könne helfen, dass Menschen sich frühzeitig Hilfe suchten.

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